Vorläufig neue Sitzverteilung der Ausschüsse im Landkreis Dachau
In seinen konstituierenden Sitzungen im Mai 2020 einigte sich der Kreistag mit 42 von 70 Stimmen (60%-Mehrheit) auf die Zusammensetzung der Kreisausschüsse nach dem Berechnungsverfahren nach d’Hondt. Einstimmig wurden dann die Besetzung der Ausschüsse mit jeweils 14 Sitzen beschlossen und entsprechend auf die Fraktionen verteilt: Die CSU erhielt sechs Sitze, Bündnis 90/Grünen drei Sitze, SPD zwei Sitze, Freie Wähler zwei Sitze und die aus ÖdP, BfD und die Linke gebildete Ausschussgemeinschaft einen Sitz.
Die Ausschussgemeinschaft ist ein sogenanntes „ad-hoc Bündnis“ mehrerer Parteien. Es ermöglicht den Parteien, obwohl sie einzeln betrachtet in der Kommunalwahl 2020 weniger Stimmanteilen errungen haben, ihre Anteile zu addieren und so einen gemeinsamen Sitz in den Ausschüssen des Kreistags zu erhalten. Der bayerische Gesetzgeber sieht diese Möglichkeit zum Schutze von politischen Minderheiten vor, die sonst in keinem Gremium außer dem Kreistag vertreten wären.
Durch diese Ausschussgemeinschaft verlor die AfD jedoch ihren Sitz in den Gremien. Die AfD beantragte nun einstweiligen Rechtschutz und klagte. Das Verwaltungsgericht München folgte der AfD in ihrem Gesuch nach einstweiligem Rechtsschutz und bezieht sich dabei auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aus dem Sommer 2020, welcher ebenfalls im einstweiligen Rechtsschutz ergangen ist. Im Gegensatz zu seiner bisherigen Rechtsprechung, stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Bildung von „Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur dann zulässig ist, solange damit nicht eine größere Gruppe deren einzigen ihr zustehenden Sitz verliert“. Im Dachauer Kreistag hat die AfD vier Sitze. Die Parteien der Ausschussgemeinschaft drei- (ÖdP), zwei- (BfD) und einen (Linke) Sitz.
Landrat Stefan Löwl zeigt sich von dem Beschluss überrascht: „Bei der konstituierenden Sitzung des Kreistages waren alle Parteien vorbehaltslos mit der Sitzverteilung einverstanden. Es gab keine Gegenstimmen oder Wortmeldungen gegen die Besetzung. Das Vorgehen entspricht der Gesetzeslage und der verbreiteten kommunalen Praxis. Es bleibt daher abzuwarten, ob die vom Verwaltungsgericht nun aufgenommene, neue Rechtsauffassung am Ende auch in der Hauptsache Bestand haben wird.“
Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist bisher noch nicht ergangen. Der Anwalt des Landkreises, der Berliner Verfassungsrechtler Prof. Dr. Walter Georg Leisner, hat hinsichtlich der neuen Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erhebliche, auch verfassungsrechtliche Bedenken: „Der Gerichtshof legt hier eine klare Regelung des Gesetzgebers (Art. 33 Abs. 1 S. 5 BayGO) in nicht mehr vertretbarer Weise aus. Er lässt für diesen einen Fall die Bildung einer Ausschussgemeinschaft nicht mehr zu. Hier überschreitet das Gericht Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung gegen den Willen des Gesetzgebers. Das ist gefährlich, auch für die Demokratie.“