Belastungsgrenze bei der Dachauer Flüchtlingsaufnahme erreicht – runder Tisch „Asyl“ tagt wieder
Neben den Bürgermeistern der Gemeinden und Vertretern der Stadt Dachau nahmen auch die Sprecher der Helferkreise, die Caritas, die Volkshochschulen, Vertreter von Jobcenter und Arbeitsagentur, der Polizei und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den kommunalen Verwaltungen sowie die stellvertretenden Landrätinnen teil.
Die kommunale Flüchtlingsaufnahme in Bayern ist, wie in der ganzen Bundesrepublik Deutschland, durch den Zustrom von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sowie Asylsuchenden am Limit. Dies wurde in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie von den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern kommuniziert. Nun hat sich auf der lokalen Ebene der Eindruck verfestigt, dass die Leistungen der Kommunen, Ehrenamtlichen sowie anderen Akteure zwar anerkannt werden, die nun konkret drohende Überforderung der örtlichen Integrationsfähigkeit mit allen negativen Auswirkungen auf Landes- und Bundesebene jedoch nicht präsent sind. Ein „Weiter so!“ ist aber nicht möglich. „Die Lage ist dramatisch und wir fühlen uns von Berlin nicht ausreichend wahrgenommen. Berlin muss handeln!“ stellte Dr. Joachim Jacob, einer der Sprecher der Helferkreise im Landkreis Dachau und Vorsitzender des Verbands der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer:innen fest.
Die vorhandenen Unterkünfte sind nahezu vollständig belegt. Das Landratsamt arbeitet daran, weitere Unterkünfte anzumieten, kann aber die zumindest temporäre Belegung von Turnhallen oder anderen Notunterkünften nicht ausschließen. Über die Weihnachtsfeiertage ist es gelungen, eine größere Unterkunft in Vierkirchen anzumieten. Diese bietet ab Mitte/Ende Februar vorerst ca. 80 Plätze; was allerdings nicht einmal die aktuelle Zuweisungszahl für einen Monat abdeckt. Deshalb arbeitet das Landratsamt mit Nachdruck daran, weitere Kapazitäten zu schaffen. In Planung sind u.a. bis zu 350 Plätzen in neuen Containeranlagen in Dachau und Markt Indersdorf. Auch die Anmietung weiterer Bestandsobjekte wird forciert.
„Die Unterbringung allein reicht jedoch nicht,“ bestätigte Harald Dirlenbach, Bürgermeister der Gemeinde Vierkirchen. „Wir alle, wie wir hier sitzen, wollen helfen und haben vollstes Verständnis, dass in jeder Gemeinde Flüchtlinge aufgenommen und versorgt werden müssen. Aber für uns als Gemeinde hört es nicht bei der Unterbringung auf, vielmehr beginnt dort unser Engagement. Wir sind dafür zuständig, dass sich die Menschen auch hier im Landkreis integrieren können. Dazu bedarf es Wohnungen, ehrenamtlichen Helferkreise, Betreuungsplätze in Kita und Schule, Arbeitsplätze, Sprachkurse und vieles mehr. All diese Parameter sind endlich und wir haben sie inzwischen nahezu ausgeschöpft.“
Gerade das Thema dauerhafter Wohnraum stellt im Landkreis Dachau ein massives Problem da. Laut Schätzungen des Landratsamtes fehlen für die Menschen, die schon seit Jahren hier im Landkreis sind, bereits 650 Wohnungen. Zusammen mit dem Bedarf an Sozialwohnungen fehlen im Landkreis Dachau wohl mindestens 1.500 Wohnungen.
Richard Reischl, Bürgermeister der Gemeinde Hebertshausen bestätigte diese Aussage: „Die Regierung hat aus der Flüchtlingswelle 2015 nichts gelernt. Heute machen wir wieder die gleichen Fehler. Die Verfahren, ob Menschen bleiben können oder nicht, dauern zu lange, Unterkünfte fehlen und die Integration wird durch knappen Wohnraum und fehlende Betreuung erschwert. Und das, obwohl die Helferkreise im Kleinen nach wie vor wahnsinnig viel leisten.“ Diese Wahrnehmung teilen auch die Helferkreise.
Mehrere Teilnehmende bestätigten, dass die aktuellen Asylzuweisungen und eine Integration unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht zu vereinbaren sind. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Zahl der Geflüchteten in absehbarer Zeit verringern wird. Im Gegenteil, Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Caritas erwartet mittel- und langfristig zusätzlich Klimaflüchtlinge. Franz Obesser, Bürgermeister Markt Indersdorf ist sich dieser Verantwortung bewusst, sieht aber auch Grenzen: „Wie helfen, wo wir können, aber eben auch nur so viel, wie wir können. Und in einigen Bereichen, insbesondere Wohnen und Kinderbetreuung, können wir Gemeinden nicht mehr.“
Nach Ansicht aller Teilnehmenden fehlt es an vielen Stellen und Dingen, nicht nur an der Finanzierung oder den notwendigen Fachkräften und ehrenamtlich Engagierten. „Wir sind mit unseren hochengagierten Mitarbeitenden an der Belastungsgrenze und können Hilfeanfragen nicht mehr zeitnah bewältigen. Wir müssen uns überlegen, zu welchen Themen wir schwerpunktmäßig beraten können. Das ist unbefriedigend, aber uns fehlt die staatliche Förderung für mehr Personal.“ stellt Irmgard Wirthmüller, Leiterin der Asylsozialberatung der Caritas, fest.
Um die Probleme im Landkreis darzustellen und Forderungen gegenüber den verantwortlichen Mandatsträgern zu artikulieren, haben die Teilnehmenden beschlossen, alle lokal zuständigen Landtags- und Bundestagsabgeordneten der in der Staatsregierung bzw. Bundesregierung vertretenen Parteien zu einem Gespräch und Meinungsaustausch zeitnah einzuladen. Während die kommunalpolitischen Akteure im Landkreis Dachau parteiübergreifend von Freistaat und Bund umgehende Maßnahmen und grundsätzliche Neujustierungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik fordern drängen die Vertreter der Helferkreise nach mehr personellen und finanziellen Mitteln, schnelleren Verfahren und vor Ort (schnell) wirksame Entlastungen mit Blick auf die immer knapper werdenden Ressourcen in allen Bereichen an.