Neue Sitzverteilung der Ausschüsse im Landkreis Dachau durch VG München bestätigt; eigentliche Rechtsfrage aber noch offen

10. Februar 2022: Das Bayerische Verwaltungsgericht in München hat am 09.02.2022 einem Antrag der AfD im Hauptverfahren stattgegeben. Damit bestätigen die Richterinnen ihre vorläufige Entscheidung aus dem Eilrechtsschutzverfahren vom Sommer letzten Jahres. Demnach bleibt es vorerst auch bei der im August beschlossenen Besetzung im Kreisausschuss und allen anderen 14-köpfigen Kreisgremien (Schulausschuss, Umwelt- und Verkehrsausschuss, Kulturausschuss). Das Verwaltungsgericht München hat jedoch anerkannt, dass es sich im gegenständlichen Verfahren um eine Grundsatzfrage handelt, welche vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu klären sei und hat daher auch die Berufung bereits im Urteil zugelassen. Die Entscheidung wird daher in die nächste Instanz zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof getragen.

Landrat Stefan Löwl zeigt sich wenig überrascht: „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München ist nicht überraschend. Sie bestätigt doch nur die eigene, rechtliche Meinung des Verwaltungsgerichts aus der bereits vorliegenden Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Hier geht es aber um einen rechtlichen Grundsatz, der aktuelle einige Kommunen betrifft sowie eine Abkehr von der bisherigen, auch gerichtlich bestätigten Praxis. Deshalb sollte die Rechtsfragen ganzheitlich von einer höheren Instanz entschieden werden. Dies hat das VG auch erkannt und die Berufung ausdrücklich zugelassen. Da es ähnliche Situationen auch außerhalb Bayern gibt, werden wir im Zweifel wohl sogar eine Entscheidung bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fordern.“

Im Mai 2020 hatte sich der neu gebildete Kreistag auf die Zusammensetzung der Kreisausschüsse nach dem Berechnungsverfahren nach d’Hondt geeinigt. Einstimmig wurde dann die Besetzung der Ausschüsse mit jeweils 14 Sitzen beschlossen und entsprechend auf die Fraktionen verteilt: Die CSU erhielt sechs Sitze, Bündnis 90/Grünen drei Sitze, SPD zwei Sitze, Freie Wähler zwei Sitze und die aus ÖdP, BfD und die Linke gebildete Ausschussgemeinschaft (1) einen Sitz.

Durch diese Ausschussgemeinschaft verlor die AfD ihren Sitz in den Gremien. Die AfD klagte dann im Jahr 2021. Das Verwaltungsgericht München folgte der AfD in ihrem Gesuch nach einstweiligem Rechtsschutz und bezieht sich dabei auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aus dem Sommer 2020, welcher ebenfalls im einstweiligen Rechtsschutz ergangen ist. Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsprechung, stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Bildung von „Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur dann zulässig ist, solange damit nicht eine größere Gruppe deren einzigen ihr zustehenden Sitz verliert“. Im Dachauer Kreistag hat die AfD vier Sitze. Die Parteien der Ausschussgemeinschaft drei- (ÖdP), zwei- (BfD) und einen (Linke) Sitz. Bei der Kreistagssitzung im September wurde der Sitz in den Gremien zugunsten der AfD und damit zulasten der Ausschussgemeinschaft neu besetzt.

In der Hauptverhandlung wurde diese Neubesetzung nun bestätigt, offen bleibt aber die Grundsatzfrage, ob die Reglung des Gesetzgebers (Art. 33 Abs. 1 S. 5 BayGO) im Lichte einer richterlichen Fortbildung derart verfassungskonform ausgelegt werden kann. Gerade in der heutigen Zeit werden die Kreistage immer diverser und die Ausschussgremien brauchen einen Weg diese Vielfalt widerzuspiegeln. „Sollte sich diese Rechtsmeinung durchsetzen, dürften kleinere Parteien und Wählergruppen künftig kaum in den Ausschüssen vertreten sein,“ prognostiziert Landrat Stefan Löwl. „Gerade mit Blick auf die zahlreichen lokalen Wählergruppen in Ortsteilen einzelner Gemeinden dürfte dies zu einem massiven Umbruch in der kommunalpolitischen Arbeit führen.“

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(1) Die Ausschussgemeinschaft ist ein sogenanntes „ad-hoc Bündnis“ mehrerer Parteien. Es ermöglicht den Parteien, obwohl sie einzeln betrachtet in der Kommunalwahl 2020 weniger Stimmanteilen errungen haben, ihre Anteile zu addieren und so einen gemeinsamen Sitz in den Ausschüssen des Kreistags zu erhalten. Der bayerische Gesetzgeber sieht diese Möglichkeit zum Schutze von politischen Minderheiten vor, die sonst in keinem Gremium außer dem Kreistag vertreten wären.