Gegen das Vergessen 2020
Lorenz Strasser und Bartholomäus Ostermair – Zwei Handwerker mit künstlerischer Begabung
Über die Persönlichkeiten, an die dieses Jahr im Rahmen der Reihe „Gegen das Vergessen“ erinnert wird, wissen wir außer einiger Lebensdaten nur sehr wenig. Ihre Werke im Landkreis Dachau sind jedoch an vielen Stellen noch präsent: die Haustafeln der Familie Strasser und die Mörtelplastiken Bartholomäus Ostermairs. Sie entstanden im 19. Jahrhundert im Dachauer Land und stellen bis heute eine Besonderheit in Bayern dar. Während der damalige ländliche Hausbau eher schlicht gehalten wurde, setzte man mit diesem neuen Fassadenschmuck einen besonderen Akzent, der gleichzeitig auch noch himmlischen Schutz versprach. An Bauernhäusern wurden Haustafeln aus Solnhofer Stein von Lorenz Strasser angebracht, während man an den Stallgebäuden Mörtelplastiken Bartholomäus Ostermairs wählte.
Lorenz Strasser (1795-1866)
Der Maurer Lorenz Strasser wurde 1795 als erstes von sechs Kindern des Ehepaars Afra und Anton Strasser geboren und am 27. Mai des gleichen Jahres in der Kirche in Großberghofen getauft. Drei Jahre später kauften seine Eltern ein Leerhaus in Walkertshofen. Dieses Haus Nr. 7 mit dem Hausnamen „Maurerlenz“ wurde Lorenz Strasser am 23. April 1831 übergeben.
Am 3. Mai 1831 heiratete Strasser Monika Mayer aus Guggenberg, mit der er drei Kinder, Maria Anna, Franz Xaver und Creszentia hatte. Nach seinem Tod am 30. November 1866 verkaufte die Witwe das Haus an den Nachbarn Kaspar Axtner.
Wie der gelernte Maurer Lorenz Strasser auf die Idee kam, aus Solnhofer Kalkplatten eine Bild/Schrifttafel zu gestalten, ist nicht überliefert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Kalkplatten vor allem als Bodenbelag genutzt – Strasser brachte sie hingegen an Hausmauern an: die quadratischen Tafeln mit einem Maß von 30 x 30 cm bis 45 x 45 cm wurden meist symmetrisch links und rechts des Eingangs eingemauert. Auf einer Tafel sieht man meist eine christliche Darstellung wie die Kreuzigung Christi, die hl. Familie, Heilige oder Gnadenbilder wie das der Madonna von Taxa. Auf der anderen Tafel findet sich häufig der Namen des Erbauers mit dem Baudatum und ein frommer Sinnspruch.
Die Zuordnung der Tafeln an Strasser wurde bereits 1939 von Adolf Stois vorgenommen, dem wir auch die erste Bestandsaufnahme und Analyse der Werke verdanken. 1938 zählte er noch in 122 Ortschaften der damaligen Bezirksämter Dachau, Aichach, Friedberg, Schrobenhausen, Bruck und München 366 Anwesen mit Haustafeln. Sie waren im Zeitraum zwischen 1840 und 1863 entstanden. Stois hielt auch die Mitarbeit der Tochter Maria Anna Strasser für wahrscheinlich. Ihr werden die Inschriften und die farbige Fassung zugeschrieben, da sie wohl auch Schriften und Symbole für Getreidesäcke entwarf.
Stois Zuschreibung an die Familie Strasser erfolgte aufgrund von Erinnerungen Einheimischer, dem Fund seiner als „Erstlingswerk“ eingestuften Haustafel für die Eltern Strasser und, dass sich gerade in der Nachbarschaft von Walkertshofen rund um den Petersberg auffällig viele Haustafeln erhalten haben.
Obwohl heute leider viele Bauernhäuser der damaligen Zeit nicht mehr bestehen, wurden viele Tafeln in Ehren gehalten und häufig auch an Neubauten als Haussegen wieder eingemauert. In jüngerer Zeit hat sich der Heimatforscher Helmut Gröss aus Vierkirchen den Haustafeln angenommen, sie fotografiert und 2017 eine Ausstellung im Schaudepot Pasenbach organisiert.
Bartholomäus Ostermair, genannt „Saubartl“ (1837-1899)
Bartholomäus Ostermair ist der zweite Maurer, an den dieses Jahr erinnert wird. Er wurde am 15. August 1837 als zehntes von 12 Kindern der Gütlerseheleute Johannes und Walburga Ostermair im Stefflerbauernanwesen in Metzenried bei Altomünster geboren. Da er als zweitältester Sohn nicht als Hoferbe in Frage kam, erlernte er ein Handwerk. Am 27. September 1865 feierte er in Schrobenhausen Hochzeit mit der Gütlerstochter Afra Huber von Singenbach. Beide schlossen einen Kaufvertrag über das Anwesen Nr. 8 (= Beim Saubartl) in Unterweilenbach bei Schrobenhausen. Am 10. April 1866 fand die kirchliche Trauung in der Pfarrkirche in Weilach statt. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor, wovon zwei den Beruf ihres Vaters ergriffen. Im Frühjahr und Sommer war Ostermair auf „der Stör“, d.h. als wandernder Handwerker nahm er Aufträge vor Ort an. Die Winter verbrachte er zuhause mit kunsthandwerklichem Arbeiten. Ostermair starb am 3. Mai 1899 und wurde in Weilach beerdigt. Das Anwesen „Beim Saubartl“, das Ostermair besonders reich mit Mörtelplastiken, u.a. mit seinem Namenspatron dem Hl. Bartholomäus geschmückt hatte, besteht heute nicht mehr. Es wurde 1931 abgebrochen.
Ostermairs Mörtelplastiken sind im Gegensatz zu Strassers älteren Haustafeln Hochreliefs und zeigen häufig Tiere wie Rinder und ausschreitende Pferde, Bauernheilige wie den Hl. Wendelin als Schäfer, den Hl. Leonhard oder Hl. Isidor, der hinter einem Pflug geht. Es gibt auch Reiterheilige oder die Madonna, aber auch profane Darstellungen wie Handwerker oder Fuhrwerke, mit denen Fässer transportiert werden. Alle Figuren formte Ostermair an Ort und Stelle, wo zuvor ein Feld für die Plastik abgetragen worden war. Die Basis bildete eine Holzleiste, um das Abrutschen der feuchten Masse zu verhindern. Für weitere Stabilität sorgten Ziegelsteine, Holzklötzchen, Nägel und Drähte, die ein Gerüst bildeten. Mit wahrscheinlich sehr einfachen Werkzeugen wurde die Grundform modelliert, mit Taschenmesser und Spachtel Details eingeritzt. Nach der Trocknung wurden die Figuren farbig gefasst. Die bis zu 75 cm hohen Darstellungen haben im Durchschnitt eine Reliefstärke von 5 cm. Wiederkehrende Motive scheinen auf eine Art von Musterbuch hinzudeuten, aus dem Ostermair schöpfte. An kleineren Gütern finden wir meist nur zwei bis drei Plastiken, an größeren Anwesen mehrere Darstellungen. Robert Böck zählte 1959 noch 38 Mörtelplastiken im Dachauer Land von ursprünglich 53, Josef Bogner 1967 42 Darstellungen. Heutzutage finden sich noch vereinzelt vor allem Tiere mit ihren Schutzheiligen an Stallgebäuden. Manchmal sind sie allerdings mit weißer Farbe übertüncht und verfälschen so das ursprüngliche Aussehen.