Änderungen in der Asylgesetzgebung notwendig: Dachauer Kreistag formuliert klare Forderungen an die Bundesregierung und stellt sich hinter die Kreisverwaltung
Auf die von Landrat Löwl einleitend gestellte Frage, was ihre Erwartung an das Landratsamt sowie deren Beschäftige sei, antworteten Kreisrät:innen aus unterschiedlichen Fraktionen und Parteien. Parteiübergreifend waren sich alle einig, dass die primäre Aufgabe und Erwartung an die Behörde ist, Recht und Gesetz ordnungsgemäß auszuführen. Innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens sollen mögliche Handlungsspielräume bürgerfreundlich, liberal und humanitär genutzt werden. Wo jedoch andere Stellen Entscheidungen treffen oder gerichtliche Urteile vorliegen, kann es keine widersprechenden Handlungen oder Maßnahmen des Landratsamts geben.
„Jedem geht die Situation der Familie E. sehr nahe und es ist auch für mich schwer, von den zuständigen Behörden getroffene und gerichtlich überprüfte Entscheidungen vertreten zu müssen,“ sagt Landrat Stefan Löwl in einem persönlichen Statement. „Leider gibt es aber in allen Bereichen auch immer wieder Entscheidungen, welche nicht meinen eigenen Überzeugungen entsprechen. Hier bleiben mir nur politische Handlungsmöglichkeiten.“ Die Ausländerbehörde und auch der Landrat persönlich können bei Asylverfahren und Abschiebungen nicht über das „ob“ entscheiden. Alle Ausländerämter agieren im Falle einer Abschiebung als „ausführende Behörde“. Die Entscheidungen in Asylverfahren werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) getroffen und durch die zuständigen Gerichte überprüft. Und auch die Abschiebung im Falle der Familie E. war keine eigenständige Maßnahme der Dachauer Ausländerbehörde sondern eine sog. „Sammelabschiebung“, welche vom Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) organisiert wurde. Landrat Stefan Löwl war in diesen Vorgang persönlich nicht eingebunden.
„Natürlich stelle ich auch in Frage, warum die Abholung Mitten in der Nacht erfolgt ist,“ stellt Landrat Löwl klar und sagt zu, dies in den kommenden Wochen mit den zuständigen Stellen zu klären. „Laut aktueller Aussage orientiert sich die Abholzeit an der Abflugzeit, denn für Kinder kommt eine Abschiebhaft nicht in Frage.“
Der stellvertretende Landrat Helmut Zech (CSU) sowie die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki (SPD) äußerten ebenfalls Unverständnis und Mitgefühl mit der abgeschobenen Familie, sehen die Problematik aber im geltenden Recht sowie den langjährigen Verfahren. „Meine Erwartung an die Verwaltung ist, dass sie sich an die gesetzlichen Regelungen und Urteile hält“, sagte Helmut Zech. Marianne Klaffki ergänzte ihre Bitte, dass strittige Fragen mit Respekt voreinander und Achtung der jeweiligen Aufgaben diskutiert und geklärt werden müssen.
Kreisrätin Sabrina Spallek (B90/Grüne), welche eines der Kinder der Familie E. persönlich kennt, berichtete von den traurigen Reaktionen der Freunde. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Fall und den Vorgängen teilte sie den Kreistagskolleg:innen mit, dass in diesem Fall die Problematik bei den bestehenden sowie angekündigten, neuen gesetzlichen Regelungen liegt und „ich die Kritik an Landrat Stefan Löwl sowie dem Landratsamt nicht mittragen kann.“
Der Haimhauser Bürgermeister und Kreisrat Peter Felbermeier (CSU) berichtete von seinen mehrfachen Kontakten zum Dachauer Ausländeramt in den vergangenen Monaten: „Ich habe im Landratsamt mehrere Einzelfälle besprochen. Dabei wurden die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten jedes Mal äußerst großzügig ausgelegt; immer zum Vorteil der betroffenen Asylsuchenden. Wo eine Behörde aber keine Entscheidungszuständigkeit oder Ermessen hat, kann sie auch kein Ermessen ausüben.“
Kreisrat und Sprecher des Runden Tisches gegen Rassismus in Dachau Peter Heller (Bündnis für Dachau) sagte, dass „wenn die Abschiebung rechtswidrig war, muss die Familie zurückkommen, wenn die Abschiebung rechtmäßig war, müssen die Gesetze geändert werden.“ Aus seiner Sicht ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Die bestehenden Gesetze müssen schnellstmöglich geändert werden und der von den Ampelparteien vorgelegte Entwurf eines Chancenaufenthaltsrechts mit Blick auf tatsächliche humanitäre Härtefälle ergänzt werden. Der aktuell vorliegende Entwurf wurde in den vergangenen Wochen bereits von Helferkreisen und Flüchtlingsinitiativen, Sozialverbänden aber auch Asylhelfer:innen im Landkreis Dachau wie Peter Barth aus Hebertshausen und sogar Landrat Stefan Löwl massiv als nicht ausreichend kritisiert. Der Fall der Familie E. zeigt aus Sicht aller Kreistagsmitglieder auf, dass die aktuell geltenden, aber auch die angekündigten neuen gesetzlichen Vorgaben nicht mit den geforderten menschlichen Grundsätzen der Kreistagsmitglieder übereinstimmen. Peter Heller bot – die Anregung von Kreisrätin Christa Hettrich (B90/Grüne) aufnehmend – an, eine gemeinsame Resolution für die Mitglieder des Kreistags zu entwerfen.
Auch die außergesetzlichen Möglichkeiten über die sog. Härtefallkommission haben in diesem Fall nicht gegriffen. Das Ausländeramt nahm gegenüber der Härtefallkommission bereits im Januar 2022 Stellung und wies dabei auf das anstehende Abschiebungsverfahren hin. Entgegen anderslautender Behauptungen in der Öffentlichkeit teilte die Geschäftsstelle der Härtefallkommission der Ausländerbehörde (mehrfach) mit, dass „nichts gegen den weiteren Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen“ spricht.
Landrat Stefan Löwl sagte zu, dass er die kritisierten Aspekte der Abschiebung noch einmal intensiv prüfen lassen wird und bot an, dass sich die Mitglieder des Kreistags über die Arbeit, Möglichkeiten und Regelungen der Ausländerbehörde gerne einen eigenen Eindruck verschaffen können. Mit Blick auf die Zukunft prognostiziert Landrat Stefan Löwl, dass es auch künftig menschlich schwere und emotional belastende Entscheidungen geben wird. „Auch das neue Chancenaufenthaltsrecht wird nicht alle Personen erfassen und es wird Fälle geben, wo die „Chance“ nicht erfolgreich genutzt werden kann, da die Voraussetzungen nicht erreicht werden,“ meint Landrat Löwl. „Daher bin ich allen Mitgliedern des Kreistags dankbar, dass sie heute so einhellig ihre Erwartungen an das Landratsamt und seine Beschäftigten, aber auch gegenüber dem Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht haben.“